Was macht eine Paramentikerin – Interview mit Gudrun Willenbockel

Für die Senfkorn-Ausgabe 1,2023 interviewte Pfr. Manfred Kiel Paramentikerin Gudrun Willenbockel.

Liebe Frau Willenbockel, Sie sind im letzten Jahr nach Schollene gezogen. Was verbindet Sie mit dem Ort und was verbindet Sie mit der Kirchgemeinde?

Als mein Vater das Pfarramt in Schollene übernahm, wohnte ich schon lange nicht mehr zu Hause. Ich kam aus Magdeburg nur gelegentlich zu Besuch. Erst als meine Eltern 2008 meinem Mann und mir die Verantwortung für ihr Haus und Grundstück übertrugen, kamen wir regelmäßig nach Schollene. Damals lebte meine Mutter noch. Über sie bekamen wir schnell persönlichen Kontakt zu unseren Nachbarn und zu Mitgliedern der Kirchengemeinde. Es war von Anfang an klar, dass wir das Grundstück nicht verkaufen, sondern hier einmal selbst wohnen wollten. In den vergangenen 3 Jahren haben wir unseren Plan, der mit einer umfangreichen Sanierung des Hauses einherging, mutig in Angriff genommen. Seit August ist Schollene nun unser Lebensmittelpunkt. Längst nicht alle Schollener kennen uns, aber wie ich hörte heißt es dann „Pfarrer Brix seine Tochter“ und alle wissen Bescheid. Wenn wir mittlerweile schon von weitem vom Trecker herunter gegrüßt werden, freut uns das sehr.

G. Willenbockel in ihrem Element. Foto: privat

Sie haben neben Ihrem Mann auch Ihre Werkstatt mitgebracht. Sie sind Paramentikerin. Was ist das? Wie sind Sie dazu gekommen und was stellen Sie her?

Mit Paramenten (lat. parare mensam = den Tisch bereiten) bezeichnet man alle Textilien, die für den Altar und den Gottesdienst benötigt werden. Einigen stehen sicher gleich die farbigen Behänge an Altar und Kanzel vor Augen. Zu den Kirchentextilien gehören aber auch die weißen Altardecken, die Abendmahlstücher und die Stolen, die Pfarrer mancherorts auf der Albe oder dem Talar tragen.

Gelernt habe ich den Beruf der Paramentikerin in der Paramentenwerkstatt der Diakonissen in den Pfeifferschen Stiftungen Magdeburg. Ich erinnere mich noch genau, welche Faszination auf mich als Kind der Farbmalkasten meines Vaters ausübte. Und es verging wohl kaum ein Tag, an dem ich nicht mit Buntstiften, Kleber und Schere unterwegs war. Da mein Vater kunstinteressiert war, lernte er auf einer Tagung die Leiterin der Magdeburger Werkstatt kennen. So war der Gedanke, dort eine Lehre zu beginnen, für mich nicht besonders weit. Von der Pike auf lernte ich dort neben jeder Menge Theorie vor allem die handwerklichen Fertigkeiten in den verschiedensten Sticktechniken, das Weben von Gobelins (Bildteppiche) sowie die Verarbeitung von Wolle vom Spinnen bis zum Färben. Die Ausbildung in Magdeburg war sehr sorgfältig. In Fachkreisen galt sie als exzellent. Sogar bei der Handwerkskammer in Hannover war dies bekannt, wo ich später ohne Schwierigkeiten die Zulassung zur Meisterprüfung bekam.

Es bedurfte schon einiger grundsätzlicher Überlegungen und so mancher Überredungskunst, meine Arbeit ebenfalls von Magdeburg nach Schollene zu verlagern. Immerhin verließ ich mit meiner TEXTIL-WERKSTATT für Paramente einen Traditionsstandort. Da aber Magdeburg nicht gerade um die Ecke liegt, war der Umzug letztlich eine ganz pragmatische Entscheidung. Mit der neuen Adresse im ehemaligen Pfarrhaus, dem heutigen „Haus der Begegnung“, hätte ich es wohl nicht besser treffen können.

Hauptsächlich befasse ich mich mit Neuanfertigungen. Vom ersten Kundengespräch, über den Entwurf bis zur Auslieferung der fertigen Arbeit bekommen meine Kunden alles aus einer Hand. Ein großes Anliegen ist mir aber auch, alte Paramente aufzuarbeiten. Es freut mich immer sehr, wenn Kirchengemeinden sich ein Herz fassen, mir ihre in die Jahre gekommenen Behänge und Decken vorlegen und um Rat fragen. Leider geraten die Kenntnisse um die Paramente im evangelischen Gottesdienst mehr und mehr in Vergessenheit. Das hat ganz verschiedene Gründe. Mein Anliegen ist es, mit meiner Arbeit dieser Misere ein wenig entgegen wirken zu können. Von meiner Lehrmeisterin und aus meiner praktischen Arbeit habe ich gelernt, nicht nur die Textilien, sondern den gesamten Kirchenraum in den Blick zu nehmen. Dazu gehört dann auch, mal den Besen zur Hand zu nehmen, die Kerzenleuchter zu putzen, den beliebten Abstellplatz hinter dem Altar aufzuräumen und so manches andere mehr. Gern möchte ich vermitteln, dass es oft nur einer geringfügigen Mühe mehr bedarf, einen Altar würdig herzurichten: würdig unserem Gott, an den wir glauben, den wir verehren und anbeten. Meine Kontaktdaten und weitere ausführliche Informationen finden Interessierte unter: www.textil-werkstatt.de.

Haben Sie Wünsche an Ihre Kirchgemeinde? Wenn ja, welche?

Zunächst freue ich mich darüber, was schon alles da ist und mit dem „Haus der Begegnung“ in Schollene weiter heranwachsen kann. Die Teilnahme an den Andachten, die seit Jahren abwechselnd von Mitgliedern des Gemeindekirchenrates gehalten werden, ist inzwischen zu einem kleinen wöchentlichen Glanzpunkt geworden. Mich als nebenamtliche Kirchenmusikerin interessieren natürlich auch sehr die musikalischen Aktivitäten. Ich bin sehr gespannt, welche Potenziale wir in Schollene im neuen Jahr noch zum Leben erwecken können!

Gibt es etwas, das Sie unseren Leserinnen und Lesern für 2023 mitgeben möchten?

Dazu erlaube ich mir, den Apostel Paulus frei zu zitieren:

Freut Euch, dass Ihr Gott gehört. Freut Euch und begegnet allen Menschen freundlich und mit Geduld. Der Herr ist euch nahe! Verzweifelt nicht. Bringt eure Sorgen mit nachdrücklichem Gebet vor Gott. Sein Frieden, der größer ist als unsere menschliche Vorstellungskraft, möge unsere Herzen und Sinne auf Jesus Christus ausgerichtet halten. (nach Philipper 4, 4-6)

Liebe Frau Willenbockel, herzlichen Dank für das Interview. Danke, dass Sie so fröhlich und vielfältig in unserer Gemeinde mitarbeiten. Und herzlichen Dank, dass Sie mit ihrer Werkstatt ein besonderes Handwerk in unser Haus der Begegnung und nach Schollene gebracht haben.